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2. Stuttgarter Sportgespräch

2008 / 1

 „Aufbruch oder Scheingefecht? –
Neue Wege im Antidopingkampf“

Die Kanzleien Wüterich · Breucker und Lengerke · Thumm (KooperationSportrecht) und der Richard Boorberg Verlag veranstalteten zum zweiten Mal das Stuttgarter Sportgespräch als Denk- und Diskussionsforum für Sport, Sportpolitik und Sportrecht. Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker begrüßte die über 250 geladenen Gäste im Haus des Sports in Stuttgart. Dr. Christoph Wüterich stellte in seiner thematischen Einführung die Versäumnisse der bisherigen Dopingbekämpfung den neuen, hoffnungsvollen Ansätzen gegenüber. Ein Umdenken sei erkennbar, wenn auch noch nicht in allen Sportverbänden angekommen. Man verschließe sich nicht mehr der Erkenntnis, dass Doping mit Unterstützung von Ärzten systematisch betrieben werde. Die Kronzeugen müssten unterstützt werden. Das alte Wort, wonach man den Verrat liebe, nicht aber den Verräter, dürfe nicht zum Maßstab im Umgang mit geständigen Sportlern werden.​​ Die Stuttgarter Sportbürgermeisterin Frau Dr. Susanne Eisenmann, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes Dr. Michael Vesper und Professor Dr. Ulrich Haas (Zürich) diskutierten neue Wege im Anti-Dopingkampf. Die gesperrten Radprofis Patrik Sinkewitz und Jörg Jaksche schilderten im Gespräch mit SWR-Hörfunk Sportchef Dr. Wagner in eindrücklicher Weise ihre schwierige Situation als „Kronzeugen“. Bürgermeisterin ​Eisenmann​ berichtete von den Erfahrungen bei der Radweltmeisterschaft in Stuttgart: Nachdem sich die Radsportverbände BDR und UCI an die mit der Stadt getroffenen Vereinbarungen nicht gehalten hätten, habe die Stadt klar Stellung im Antidopingkampf bezogen und hierfür ganz überwiegend Zuspruch erhalten. Das Verhalten der Radsportfunktionäre habe ihre „kühnsten Erwartungen“ übertroffen“. Eisenmann forderte den Sport auf, sich zu seiner Verantwortung im Antidopingkampf zu bekennen. Der Sport solle konstruktiv mit dem Staat zusammen arbeiten und sich nicht hinter seiner Autonomie verschanzen: wer Fördergelder des Staates beanspruche, müsse sich auch gefallen lassen, dass der Staat im Antidopingkampf mitrede. DOSB-Generaldirektor ​Vesper​ betonte, dass der Sport in jüngster Zeit zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht habe. Die Nationale Anti-Doping Agentur bündele ihre Tests in verschiedene Pools, um zielgerichtet in besonders gefährdeten Sportarten zu testen. Die Entscheidung des BDR, Erik Zabel bei der Straßenweltmeisterschaft 2007 in Stuttgart starten zu lassen, habe er „skeptisch gesehen“. Der DOSB vertrete eine klare Linie: wer gedopt habe, werde nicht für die nächsten Olympischen Spiele nominiert. Vesper warnte davor, geständige Sportler zu Helden zu machen: Die Kritik der Kronzeugen sei ihm „zu larmoyant“ sagte Vesper mit Blick auf die Beschwerden der Radfahrer Jaksche und Sinkewitz, sie erhielten zu wenig Unterstützung von den Verbänden. Professor Haas​ stellte die Neuerungen des von ihm federführend überarbeiteten Welt Anti-Doping Codes vor und verwies auf die Flexibilisierung und Erweiterung des Strafrahmens, die es ermögliche, Dopingtäter künftig im Einzelfall gerechter, erforderlichenfalls aber auch härter zu bestrafen. Der neue Anti-Doping Code lege allerdings auch Obergrenzen fest. Die Praxis des DOSB, gedopte Sportler auch nach Ablauf einer Sperre noch von der Teilnahme an Olympischen Spielen auszuschließen begegne Bedenken, da es sich um eine faktische Verlängerung der Sperre handle. Die Testpolitik der Verbände stoße an finanzielle und tatsächliche Grenzen: Man könne nicht ohne weiteres und nicht beliebig oft in das kenianische Hochland fliegen, dort eine Blutprobe nehmen und diese gekühlt in ein akkreditiertes Labor transportieren. Viele gedopte Sportler seien hundertfach gestestet worden, ohne erwischt zu werden. Umso wichtiger sei eine funktionierende Kronzeugenregelung, um in die Strukturen des Dopings einzudringen. /b>​Jörg Jaksche​ und ​Patrik Sinkewitz​ zeigten sich verwundert darüber, dass UCI und BDR zu ihren Lasten Berufung eingelegt haben. Dass die Verbände gegen die einjährigen Sperren und damit gegen die Anwendung der Kronzeugenregelung vorgehen, könnten sie sich nur damit erklären, dass Kronzeugen nicht erwünscht seien. Nicht nur die Diskutanten auf dem Podium, auch die Teilnehmer aus dem hochkarätig besetzten Publikum beteiligten sich rege am Sportgespräch. Herbert Fischer-Solms vom Deutschlandfunk warf die Frage auf, weshalb der DOSB mit den Radsportlern Aldag und Zabel im Anti-Doping Kampf zusammen arbeite, nicht aber mit Jaksche oder Sinkewitz. Vesper stellte klar, dass es keine offizielle Zusammenarbeit mit Aldag oder Zabel als „Vertrauensleute“ des DOSB gebe, dass man sich aber Angeboten zur Aufklärung in Schulen nicht verschließe. Der Präsident des Deutschen Turnerbundes Rainer Brechtken forderte eine konsequentere Haltung der Sportfachverbände. Er habe kein Verständnis dafür, dass des Dopings überführte Sportler in den Verbänden nach wie vor in herausgehobenen Positionen tätig seien. Der Sport müsse sich an seinen eigenen Werten messen lassen. Unter den Gästen waren auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag und der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Mitbegründer des Sportgesprächs Professor Udo Steiner. Am Ende der intensiven Diskussion erhielten die Referenten traditionell die Trikots des „Stuttgarter Sportgesprächs“ mit ihren Namenszügen, bevor die Gespräche auf einem Empfang im Foyer im Haus des Sports fortgesetzt wurden. Der Landessportverband Baden-Württemberg unterstützte die Veranstaltung als Kooperationspartner. Nach der beeindruckenden Resonanz wollen Kanzleien und Verlag die Reihe der Sportgespräche fortsetzen. ​

  Impulsreferat  

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