19. Stuttgarter Sportgespräch
Unerwartete Symbiosen in der Sportberichterstattung
– 19. Stuttgarter Sportgespräch am 11. November 2024 –
Dass ARD und ZDF etwa mit Sendebeiträgen des Privatsenders DYN Media in ihren Morgen- und Mittagmagazinen von Sportarten wie Basketball, Handball oder Hockey eine beiderseitig befruchtende Symbiose zum Wohle der Zuschauer bilden, dürfte eine der für viele neuen Erkenntnisse des 19. Stuttgarter Sportgesprächs gewesen sein, hatte man doch zwischen ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und dem Leiter ZDF-Hauptredaktion Sport Dr. Yorck Polus einerseits und Christian Seifert als Gründer und Gesellschafter von DYN Media andererseits eher die unter Konkurrenten üblichen Kontroversen erwartet. ARD und ZDF sehen indes, wie die Analyse auf dem Sportgespräch zeigte, schon deshalb in DYN Media eine Bereicherung, als sie selbst aufgrund des begrenzten Sendeumfangs nicht in der Lage wären, so umfangreich und detailliert von den oft im Schatten des Fußballs stehenden Sportarten zu berichten. Umgekehrt besteht die Möglichkeit, die von DYN Media weitgehend mit vollautomatisierten Kamerasystemen erstellten Berichte in eigene Sendeformate zu integrieren und damit auch den Zuschauern der öffentlich-rechtlichen Sendern zugänglich zu machen.

Elisabeth Schlammerl, Dr. Yorck Polus, Christian Seifert, Christine Strobl und Moderator Jens Zimmermann (v. l.) (Foto: 24passion)
Eine Symbiose durchaus im Interesse der Sportarten, die nur über erhöhte Medienpräsenz mehr Zuschauer in die Stadien und weitere Sponsoren anlocken werden. Davon ist zumindest Christian Seifert, der langjährige Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL) überzeugt: Man müsse nicht nur die Spiele, sondern auch das Drumherum verfolgen und den Menschen nahebringen, um dauerhaftes und nachhaltiges Interesse zu schaffen. Entscheidender Anknüpfungspunkt seien dabei die Vereine, mit denen sich die Zuschauer identifizieren: „Im entscheidenden Wettbewerb um die Zeit des Kunden kommt es auf die Attraktivität des jeweiligen Clubs an“. Seifert wies auf die Bedeutung einer kontinuierlichen Berichterstattung hin: „Die Nachfrage nach jedem Sport entsteht zwischen den Spieltagen und nicht erst am Spieltag.“
Pressestimmen

Christian Seifert, Christine Strobl und Moderator Jens Zimmermann (v. l.)
(Foto: 24passion)
Online-Sichtbarkeit von Randsportarten
Die von DYN erstellten Berichte kommen, worauf Christine Strobl hinwies, nicht nur den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, sondern auch den klassischen Printmedien zugute: „Die Rhein-Neckar Zeitung etwa kauft von DYN die Bewegtbilder der Rhein-Neckar-Löwen für einen überschaubaren Betrag und stellt diese Beiträge ihren Lesern zur Verfügung“; sie wundere sich, so die ARD-Programmdirektorin, dass von dieser Möglichkeit nicht mehr Gebrauch gemacht werde. Damit war Elisabeth Schlammerl als Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS) angesprochen. Als Vertreterin der Printmedien bestätigte sie, dass in der digitalen Berichterstattung die Zukunft liege: „Die klassische gedruckte Zeitung ist ein Auslaufmodell“, so Schlammerl. Die Zukunft sei online. Zugleich verwies Schlammerl darauf, dass in der Online-Gestaltung eine Chance gerade für kleinere Sportarten liege: „Auch in den Zeitungen verdrängt der Fußball viele andere Sportarten. Die Onlinemedien sind daher eine Chance, weil sie nicht die Platzprobleme wie die Printausgabe haben; dadurch können andere Sportarten ausführlicher und prominenter präsentiert werden“.

Elisabeth Schlammerl, Dr. Yorck Polus (Foto: 24passion)
Über 300 Teilnehmer in Stuttgart
Zum 19. Stuttgarter Sportgespräch hatte Dr. Marius Breucker für die Kanzlei Wüterich Breucker unter dem Titel „Alte Medien, neue Wege – die Sportberichterstattung der Zukunft“ über 300 geladene Gäste im Eventcenter der SpardaWelt in Stuttgart begrüßt und die jeweiligen Perspektiven des prominent besetzte Podiums zu der Frage skizziert, wie sich die - für den Sport mehr noch als für andere gesellschaftliche Bereiche prägende - rasant wandelnde Medienlandschaft in Zeiten der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz entwickeln werde.

Berichterstattung vom Wunder von Bern bis zur EURO 2024
In einem fundierten Impulsreferat hatte Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich anschließend vor Augen geführt, wie sich die mediale Sportberichterstattung etwa seit dem legendären Radiokommentar Herbert Zimmermanns vom „Wunder von Bern“ 1954 über Schwarz-Weiß- und Farbfernsehen zu den heutigen 4K-Übertragungen mit automatisierten Kameras, Drohnenaufnahmen, virtueller Realität und Spidercams entwickelte. Sinnbildlich für die Entwicklung nannte er die Zahl von drei Fernsehkameras beim WM-Finale 1954 in Bern im Vergleich zu 46 TV-Kameras bei der Neuauflage der Begegnung Deutschland gegen Ungarn bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Stuttgart. Wie definieren klassischen Medien – namentlich öffentlich-rechtliche Fernsehsender und Tageszeitungen - ihre Rolle in Zeiten zunehmend fragmentierter Medienlandschaft auf unterschiedlichsten Kanälen und mit neuer Konkurrenz nicht nur durch zahlreiche private (Online-) Anbieter, sondern auch durch große Tech-Konzerne wie Amazon, Google, Apple, Netflix, Disney, YouTube oder Telekom und innovativen Start-Ups wie Staige und Sporttotal, die mit vollautomatisierten Kamerasystemen und künstlicher Intelligenz übertragen? In welchem Umfang sollen und dürfen gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Sender Millionenbeträge für Nutzungsrechte an Fußballübertragungen investieren? Und wo findet sich der klassische Printjournalismus wieder, der sich einerseits digitaler Möglichkeiten mit QR-Codes und Augmented Reality Features bedient, andererseits verstärkt auf Hintergrundberichterstattung und vertiefende Analysen setzt, da der Leser im Zeitpunkt des Erscheinens des Printmediums die aktuellen Ergebnisse und Informationen längst online erfahren und im Zweifel auch schon in Bewegtbildern gesehen hat.

Moderator Jens Zimmermann (Foto: 24passion)
Christine Strobl: „Lagerfeuermomente bei Olympia“
In einem fundierten Impulsreferat hatte Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich anschließend vor Augen geführt, wie sich die mediale Sportberichterstattung etwa seit dem legendären Radiokommentar Herbert Zimmermanns vom „Wunder von Bern“ 1954 über Schwarz-Weiß- und Farbfernsehen zu den heutigen 4K-Übertragungen mit automatisierten Kameras, Drohnenaufnahmen, virtueller Realität und Spidercams entwickelte. Sinnbildlich für die Entwicklung nannte er die Zahl von drei Fernsehkameras beim WM-Finale 1954 in Bern im Vergleich zu 46 TV-Kameras bei der Neuauflage der Begegnung Deutschland gegen Ungarn bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in Stuttgart. Wie definieren klassischen Medien – namentlich öffentlich-rechtliche Fernsehsender und Tageszeitungen - ihre Rolle in Zeiten zunehmend fragmentierter Medienlandschaft auf unterschiedlichsten Kanälen und mit neuer Konkurrenz nicht nur durch zahlreiche private (Online-) Anbieter, sondern auch durch große Tech-Konzerne wie Amazon, Google, Apple, Netflix, Disney, YouTube oder Telekom und innovativen Start-Ups wie Staige und Sporttotal, die mit vollautomatisierten Kamerasystemen und künstlicher Intelligenz übertragen? In welchem Umfang sollen und dürfen gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Sender Millionenbeträge für Nutzungsrechte an Fußballübertragungen investieren? Und wo findet sich der klassische Printjournalismus wieder, der sich einerseits digitaler Möglichkeiten mit QR-Codes und Augmented Reality Features bedient, andererseits verstärkt auf Hintergrundberichterstattung und vertiefende Analysen setzt, da der Leser im Zeitpunkt des Erscheinens des Printmediums die aktuellen Ergebnisse und Informationen längst online erfahren und im Zweifel auch schon in Bewegtbildern gesehen hat.
ARD und ZDF: Mitverantwortung der Sportverbände
Strobl bejahte die Verantwortung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens für den Sport: „Wir müssen über Ideen nachdenken, wie wir Sport mit Sportverbänden oder Ligen bündeln. Lasst uns abstimmen, wann was gemeinsam stattfinden kann – ich glaube, dass wir das als einzige können, da wird sich kein privater Anbieter dafür interessieren.“ Zugleich nahm sie die weiteren Akteure, namentlich die Sportverbände selbst, in die Pflicht: Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender müssten in Kooperation mit dem Sport auch Randsportarten in die Mitte der Gesellschaft tragen; hierfür sei gerade für Nischensportarten entscheidend, dass attraktive Bilder produziert würden, die man guten Gewissens einem breiten Fernsehpublikum zeigen könne. Die ARD sei zu einer entsprechenden Kooperation mit den Sportverbänden bereit.
Diesen Ansatz bestätigte der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Sport, Dr. Yorck Polus: „In Gesprächen mit den Verbänden arbeiten wir daran, Sportstrecken zu schaffen, die aufeinander abgestimmt sind“. Auch in Sommersportarten könne auf diesem Wege ein Live Schedule entstehen, wie er sich im Wintersport bewährt habe. Polus betonte die Offenheit der öffentlich-rechtlichen Sender für Randsportarten und strich beispielhaft die frühzeitige und nachhaltige Förderung namentlich des Behindertensports durch das ZDF heraus – ein Einschätzung, die der Stuttgarter-Kugelstoß-Weltmeister Niko Kappel für die Paralympics aus Sportlersicht ausdrücklich bestätigte: „Die Berichterstattung über die Paralympischen Spiele hat sich gut entwickelt“. Polus widersprach dem Vorurteil, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender schwerfällig oder gar rückständig seien, wenn es um innovative Berichterstattung gehe: Gerade im Sport bestehe eine hohe Bereitschaft, neue Wege zu gehen: „Wir in der Sportredaktion verstehen uns als Innovationstreiber und Taktgeber für das gesamte ZDF.“

Elisabeth Schlammerl knüpfte daran an und verwies darauf, dass die Tageszeitungen vielfach Bewegtbilder und Audio-Einspieler in ihre digitale Berichterstattung integrierten und damit eine ganz neue Bandbreite entfalten könnten. Dies komme nicht zuletzt den Sportarten zugute, die in den Printmedien aufgrund der begrenzten Kapazitäten unterrepräsentiert seien.
Volleyball-Bundesliga statt Premier League?
DYN-Gründer Christian Seifert erinnerte daran, dass es auch innerhalb der Sportarten durchaus Konkurrenz gebe, und dass die Sender gehalten seien, differenzierte Schwerpunkte zu setzen: „Statt eines Frauen-Fußball-Bundesliga-Spiels vor weitgehend leeren Rängen“ könne besser das Frauen-Volleyball-Bundesliga-Spitzenspiel zwischen MTV Stuttgart und dem SSC Schwerin in einer ausverkauften, stimmungsvollen Halle ausgestrahlt werden. Zudem müssten sich alle – auch die öffentlich-rechtlichen Sender – hinterfragen, wenn man statt solcher nationaler Highlights der deutschen Ligen zur besten Sendezeit lieber ein Fußballspiel der Premier League aus England zeige.
Niko Kappel: Fußball als Vorbild für Medienwirksamkeit
Als aktiver Sportler mit über 9 Millionen Klicks bei TikTok und über 250.000 Followern bei Instagram rief Kugelstoß-Weltrekordhalter Niko Kappel dazu auf, dass auch Sportarten wie Leichtathletik die Möglichkeiten der Medien nutzen: „Warum steht der Fußball da, wo er steht? Weil er unglaublich viel richtig gemacht hat“, so Kappel. Die Identifikation der Zuschauer müsse über die Clubs hergestellt werden und dürfe nicht an einen einzelnen Personen hängen, nach deren Karriereende sonst das Interesse schlagartig nachlasse. Die Sommersportverbände müssten sich ähnlich wie die Wintersportverbände so aufeinander abstimmen, dass attraktive Sendeformate funktionieren, forderte Kappel. Angesprochen auf das Erfolgsformat der SWR-Reportage „Die Halbstarken“ mit Mathias Mester und ihm in den Hauptrollen erklärte der ebenso erfolgreiche wie populäre Paralympics-Sieger und zweifache Weltmeister verschmitzt: Genau darum gehe es: Nahbare Formate mit einem Augenzwinkern und hohem Wiedererkennungseffekt – das bringe auch Paralympischen Sportarten hohe mediale Aufmerksamkeit. Zugleich brach er eine Lanze für die über den Sport mögliche Vermittlung von Werten insbesondere für Jugendliche: „Lernen zu verlieren, einen respektvollen Umgang, ein gesundes Selbstvertrauen aufzubauen, auch zu verstehen: Was kann ich? Wo bin ich gut? Und wo bin ich vielleicht nicht so gut?“ – all das könnten junge Menschen aus der Sportberichterstattung lernen.

Elisabeth Schlammerl, Kugelstoß-Weltrekordhalter Niko Kappel, Dr. Yorck Polus (v. l.) (Foto: 24passion)
„Wer sich dem Wettbewerb nicht stellt, den stellt der Wettbewerb.“
Christian Seifert brach eine Lanze für Technologieoffenheit und für eine aktive Gestaltjung der technischen Möglichkeiten.- Er erinnerte daran, dass die traditionellen Medien bei Aufkommen des Internets zunächst schlicht darauf hofften, dieses werde sich nicht durchsetzen… Die Frage „Wie stark umarmt man die Innovation?“ – beantwortete Seifert sogleich selbst: „Wer sich dem Wettbewerb nicht stellt, den stellt irgendwann der Wettbewerb.“ So sei es etwa der Sportberichterstattung dienlich, wenn ein erster Schnitt eines Beitrags von KI erstellt werde, und sich der Redakteur in dieser Zeit auf die Inhalte seiner zu erzählenden Geschichte konzentrieren könne. Seifert erinnerte daran, dass die Filmrollen mit Spielberichten der Fußball-Bundesliga früher noch mit dem Motorrad nach Köln gefahren werden mussten, was ein Grund dafür gewesen sei, dass die ursprünglich auf 17 Uhr terminierten Spiele auf die heutige Anstoßzeit um 15:30 Uhr verlegt worden waren.
Schon im Impulsreferat hatte Dr. Christoph Wüterich anschaulich beschrieben, wie sich das Medienverhalten der jungen Generation von dem der älteren unterscheidet. Christian Seifert brachte die Bedeutung der Jungen mit Blick auf die Zukunft der Medienberichterstattung auf die Formel: „Wenn Sie die Schulhöfe nicht gewinnen, haben Sie als Sport für die Zukunft verloren.“
Diskussion unter Teilnehmern - Vorfreude auf das 20. Sportgespräch im Jahr 2025
Die Podiumsdiskussion fand wie immer unter allen Teilnehmern des Sportgesprächs eine rege Fortsetzung, darunter Karla Borger als Präsidentin von „Athleten Deutschland“, der ehemalige DTB-Präsident Rainer Brechtken, der Hauptabteilungsleiter SWR Sport Harald Dietz, der Ehrenpräsident des Deutschen Skiverbandes Dr. Franz Steinle, der Präsident der Deutschen Eislauf-Union Dr. Andreas Wagner und nicht zuletzt der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Nestor des Sportrechts, Prof. Dr. Udo Steiner. Für die Landeshauptstadt Stuttgart hatte Sportbürgermeister Dr. Clemens Maier in seinem Grußwort die Tradition und Tragweite des bundesweit beachteten Stuttgarter Sportgesprächs betont - und mit Vorfreude schon den Blick voraus auf die im kommenden Jahr anstehende 20. Veranstaltung gerichtet.

Frank Thumm, Jens Zimmermann, Christian Seifert, Christine Strobl, Dr. Matthias Breucker, Elisabeth Schlammerl, Dr. Yorck Polus, Dr. Marius Breucker, Dr. Christoph Wüterich (v. l.) (Foto: 24passion)