5. Stuttgarter Sportgespräch
– Wem gehört der Sport – Profit ohne Verantwortung? Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich arbeitete in seinem gedankenreichen Impulsreferat die Gegensätze im heutigen Sport heraus: Milliardenumsätze des IOC stünden im Widerspruch zum Werbeverbot für die Athleten während der Olympischen Spiele. Trotz maximaler Verbreitung und Verfügbarkeit des sportlichen Produktsortiments bleibe dem Sportler neben Veranstaltern, Sponsoren, Medien und Verbänden nur ein Bruchteil der Früchte. Bei ungleicher Profitverteilung sei die Frage nach der Verantwortung für Missstände wie Doping, Wettbetrug, Rassismus oder Gewalt im Stadion unbeantwortet. Das abendliche Plenum vor über 250 Gästen beleuchtete das Verhältnis von Profit und Verantwortung im Sport. Fecht-Olympiasiegerin Britta Heidemann kritisierte, dass beim einzelnen Sportler nur wenig der Erlöse ankomme, welche Veranstalter großer Sportereignisse, etwa das IOC bei Olympischen Spielen, erzielten: Es gäbe nur ganz wenige Athleten, die den Sprung durch das Nadelöhr schafften. Dagmar Brandenstein, Geschäftsführerin von Sirius SportsMedia, konterte, dass es für viele Sportarten mangels verschiedener Bieter schlicht keinen Markt gebe. Erwin Staudt, ehemals Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland, jetzt Präsident des VfB Stuttgart 1893, warb spontan dafür, man müsse Sportarten wie das Fechten noch attraktiver vermarkten und lobte unter spontanem Applaus das Fernseh-Interview Heidemanns in flüssigem Chinesisch nach ihrem Olympiasieg in Peking. Auch dies seien Werte, die es zu honorieren gelte. Zugleich wies Staudt auf die Gefahr überbordender Berichterstattung hin: Die Ware Fußball ist in Gefahr, beliebig zu werden. Marco Klewenhagen von der Fachzeitschrift Sponsor Partners betonte, die Sponsoren kämen ihrer Verantwortung als Kehrseite des Profits in den letzten Jahren verstärkt nach. Mit der Mischung aus Workshop (Expertenforum Medien am Nachmittag) und Diskussionsrunde erfüllte das Stuttgarter Sportgespräch seinen hohen Anspruch als unabhängiges Denk- und Diskussionsforum für Vordenker und Entscheidungsträger aus Sport, Politik, Wirtschaft, Medien und Justiz. Im Expertenforum Medien befassten sich die geladenen Juristen und Journalisten mit den Vermarktungsrechten im Sport. Der im Sportrecht ausgewiesene Bayreuther Prof. Dr. Peter W. Heermann überprüfte die Zulässigkeit der Zentralvermarktung der Medienrechte der Fußballbundesligen am Kartellverbotstatbestand des Art. 81 EG. Er verdeutlichte, dass nicht nur das Ausland etwa Spanien oder Italien eine Individualvermarktung kennen, sondern früher auch die Europapokalspiele der Bundesligisten individuell vermarktet wurden. Heermann erläuterte anschaulich den herrschenden Begriff des Veranstalters als denjenigen, der das wirtschaftliche Risiko der Bundesligaspiele trägt. Nach umstrittener Auffassung der Rechtsprechung sei der Ligaverband neben dem jeweiligen Heimclub allenfalls Mitveranstalter der Bundesligaspiele. Da die Zentralvermarktung den Wettbewerb zwischen den sonst bestehenden 18 oder 36 Einzelvermarktungen i. S. des Art. 81 I EG beschränke, entscheide sich die Frage der Zulässigkeit der Zentralvermarktung danach, ob die Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 1 III EG gerechtfertigt werden könne. Voraussetzung sei zunächst eine angemessene Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder –verteilung oder eine Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts. Heermann kritisierte, dass das Bundeskartellamt im Jahre 2008 öffentlich allein auf die Frage der angemessenen Verbraucherbeteiligung Sportschau um 18 Uhr abgestellt habe; mindestens ebenso bedeutsam sei aber nach Art. 81 III EG, dass der Beschluss des Ligaverbands zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels unerlässlich sein müsse. Als Legalausnahme habe Art. 81 III EG strenge Tatbestandsvoraussetzungen. Vor diesem Hintergrund sei die Zulässigkeit der Zentralvermarktung fraglich. Wenn der Ligaverband auf die mit der Zentralvermarktung verbundene gerechte Mittelverteilung abstelle, so könne dies auch ein Solidarfonds leisten, wie ihn Generalanwalt Lenz in seinen Schlussanträgen im Bosman-Verfahren vorgeschlagen habe. In praxi rechnete Heermann damit, dass die Zentralvermarktung unter Bedingungen und Auflagen weiterhin geduldet werde. Rechtsanwalt Dr. habil Martin Stopper, München, widersprach Heermann in der Frage des Veranstalterbegriffs: Die verschiedenen Wertschöpfer seien mit ihren jeweiligen Verursachungsbeiträgen die Veranstalter und bildeten eine Gemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB. Die von Dr. Christoph Wüterich aufgeworfene Frage, wie sich dann eine von § 742 BGB (im Zweifel gleiche Anteile) abweichende Verteilung rechtfertigen lasse, konnte Stopper mit dem Hinweis auf die mögliche sachverständige Berechnung der Verursachungsbeiträge nur unzureichend beantworten. Rechtsanwalt Frank Thumm, Justiziar des Württembergischen Fußballverbands (WFV) berichtete über das Verfahren des WFV gegen die Betreiber der Website www.hartplatzhelden.de (OLG Stuttgart, SpuRt 2009, 252). Er arbeitete heraus, dass auch Amateurfußballspiele ihr spezifisches Gepräge und ihren Mehrwert gegenüber bloßem Freizeitsport durch den Wettbewerbscharakter erhalten. Hierfür schafft der Verband die Voraussetzungen, indem er den Ligaspielbetrieb organisiert, die Regeln festlegt, Auf- und Abstieg ermöglicht, die Schiedsrichter stellt, die Trainer ausbildet und die Ergebnisse verwaltet. Zum vermarktbaren Wettbewerb in seiner Gesamtheit gehörten demnach auch die Bewegtbilder von Amateurfußballspielen. Da es kein absolutes Schutzrecht an der Sportveranstaltung gebe weder Urheberrecht noch Persönlichkeitsrecht gewähre (nur) das Wettbewerbsrecht als ergänzendes Leistungsschutzrecht den erforderlichen Schutz. Der Verband als Veranstalter habe mithin das Recht, den wirtschaftlichen Wert eines Fußballspiels in Bild und Ton auf einer kommerziell betriebenen Internetplattform zu realisieren. Wenn sich Dritte diese Nutzung anmaßten, handele es sich um eine unlautere Nachahmung und der Verband könne nach § 4 Nr. 9 UWG Unterlassung verlangen.