In seinem Impulsreferat charakterisierte Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker die Athletenvereinbarung als ein durch zivilrechtlichen Vertrag geschaffenes, sportspezifisches Berufsrecht. Aufgrund der aus dem „Ein-Platz-Prinzip“ folgenden Monopolstellung der Verbände sei die Unterzeichnung für die Athleten de facto alternativlos, obwohl es einen formalen Abschlusszwang für sie nicht gebe; ein solcher bestehe allenfalls – gerade wegen der Monopolstellung – für die Verbände. Da eine Teilnahme am Wettbewerb ohne Unterzeichnung nicht möglich sei, müsse der Inhalt der Vereinbarung anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben auf Angemessenheit überprüft werden. Die Unterwerfung unter das umfassende Anti-Doping-Reglement mit seinen Meldepflichten werfe die Frage auf, ob dies angesichts der geringen Quote positiver Proben auch bei später geständigen Dopingtätern verhältnismäßig sei. Zweites wesentliches Problemfeld der Athletenvereinbarung sei die Verteilung der Vermarktungsmöglichkeiten und –erlöse. Dieses verlange einen ausgewogenen Interessenausgleich: Sowohl die Athleten mit ihrer sportlichen Leistung als auch die Verbände, die diese erst ermöglichen, trügen letztlich zum Vermarktungserfolg bei. Die jüngst öffentlich kritisierte Unterwerfung unter die für Streitigkeiten im Sport bewährte Schiedsgerichtsbarkeit führe nicht zu einem Rechteverlust für die Athleten, wenn sichergestellt sei, dass die Schiedsgerichte paritätisch mit unabhängigen Richtern besetzt und die Verfahren transparent und kompetent geführt würden. Die Degenfechterin Imke Duplitzer schilderte anschaulich die Sicht der Athleten: „Die Athletenvereinbarung muss als Voraussetzung für die Teilnahme an den relevanten Wettbewerben unterzeichnet werden. Man hat als Sportler keine Wahl. Die Konsequenzen sind für die meisten nicht überschaubar.“ Der ehemalige Hockey Nationalspieler Sascha Reinelt ergänzte: „Wer als junger Spieler für Olympia nominiert wird, der zögert nicht und unterschreibt!“ Der Präsident des Deutschen Skiverbandes und Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Dr. Franz Steinle, wies auf die Notwendigkeit international einheitlicher Regeln für alle Athleten hin. Zudem diene die Vereinbarung einem Interessenausgleich zwischen Verband und Athlet, aber auch dem Solidaritätsprinzip unter den Athleten: „Die Verbände sind auf die Erlöse aus der Vermarktung angewiesen. Damit finanzieren sie nicht zuletzt die Jugend- und Kaderarbeit, mit der dann wieder Talente gefördert und nach oben gebracht werden“. Der Vorstand der Nationalen Anti-Doping Agentur (NADA), Dr. Lars Mortsiefer, ergänzte: „Die Athleten- und Schiedsvereinbarungen dienen nicht zuletzt den Athleten, indem sie sicherstellen, dass der Anti-Doping Code überall einheitlich zur Anwendung kommt.“ Der ehemalige Redakteur des Deutschlandfunks, Herbert Fischer-Solms, kritisierte: „Die Inhalte der Athletenvereinbarung und etwa die Unterscheidung zwischen Athleten- und Schiedsvereinbarung sind für viele Athleten nicht verständlich.“ Der Sportwissenschaftler Professor Dr. Helmut Digel wies darauf hin, dass die erstmals vom Deutschen Leichtathletik Verband im Nachgang zur Weltmeisterschaft 1993 konzipierte Athletenvereinbarung ein ebenso sinnvolles wie effektives Instrument sei, um die Interessen zum Ausgleich zu bringen. Erforderlich sei eine frühzeitige und umfassende Information der Athleten, damit sich diese nicht überrumpelt fühlten. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Dr. Udo Steiner resümierte: „Nicht das System der Athletenvereinbarung, wohl aber einzelne Inhalte bedürfen der Überarbeitung.“ Zu denken sei an eine Verbesserung der Schiedsverfahren vor dem Court of Arbitration for Sport durch Öffnung der Schiedsrichterliste und Reduzierung der für den Athleten anfallenden Verfahrenskosten. „Um dem Vorwurf der Intransparenz zu begegnen, könnten die Verfahren zudem auf Wunsch der Athleten im Einzelfall öffentlich ausgestaltet werden.“ Er ergänzte in unnachahmlicher Diktion: „Die Schiedsgerichtsbarkeit ist nicht etwa die unordentliche Tochter der ordentlichen Gerichtsbarkeit!“. Zum zehnten Stuttgarter Sportgespräch hatte Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich von der Kanzlei Wüterich Breucker eingangs über zweihundert geladene Gäste im Haus des Sports begrüßt.