7. Stuttgarter Sportgespräch
„Sport ist Integration“ – so zitierte Rechtsanwalt Jan Lengerke in seinem Eingangsreferat den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes Dr. Thomas Bach. Lengerke wies darauf hin, dass der Sport neben seiner unbestreitbaren Integrationsfunktion auch trennende Momente kennt: Die in den letzten Jahren zunehmende Gründung monoethnischer Sportvereine weist in Richtung einer Parallelgesellschaft, die eine Integration eher erschwert als erleichtert. Statistiken zeigen, dass bei Spielabbrüchen und Spielausschreitungen gerade in unteren Spielklassen im Fußball weit überproportional monoethnische Vereine beteiligt sind. Der Justizminister und Integrationsbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Professor Dr. Ulrich Goll, relativierte in der anschließenden Podiumsdiskussion solche Befürchtungen: Wer in Deutschland einen Verein gründe, und sei es ein monoethnischer, der zeige bereits dadurch, dass er in der Gesellschaft angekommen und – jedenfalls bis zu einem gewissen Grade – integriert sei. Es sei besser, Ausländer würden sich mit einer Vereinsgründung am gesellschaftlichen Leben beteiligen, als wenn sie sich ganz abschotteten. Der technische Direktor des türkischen Fußballverbandes für Europa und frühere Fußball-Bundesligaspieler Edal Keser forderte eine „Deutschenquote“: Der DFB solle vorgeben, dass in jeder am offiziellen Fußballspielbetrieb teilnehmenden Mannschaft eine Mindestanzahl Deutscher teilnehmen müsse. Auf diese Weise ließen sich zuspitzende Konflikte zwischen bestimmten Ausländervereinen mildern. Professor Goll erteilte dieser Forderung unter Verweis auf verfassungs- und vereinsrechtliche Bedenken eine Absage. Keser bescheinigte dem Fußballsport einen Bewusstseinswandel: In den 80-Jahren seien „Türken raus“-Rufe in den Bundesligastadien keine Seltenheit gewesen. Die intensiven Integrationsbemühungen des Deutschen Fußball-Bundes zeitigten Erfolg: Solche Szenen seien heute kaum noch denkbar und würden konsequent geahndet. Die Integrationsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes, Frau Gül Keskinler, ergänzte, der DFB werde seine Integrationsbemühungen noch verstärken: Durch Zusammenarbeit der insgesamt 26.000 Mitgliedsvereine des DFB mit Grundschulen und der Förderung von 14- und 15-jährigen Mentoren, welche die Schüler am Nachmittag begleiteten, werde die unabdingbare Vernetzung zwischen Schule und Verein gefördert. Zugleich warnte Frau Keskinler davor, die gelungene Integration etwa in der Nationalmannschaft überzubewerten; maßgeblich sei die Arbeit an der Basis. Auch würde ein junger Spieler wie Mesut Özül überfordert, wenn er zur Symbolfigur gelungener Integration stilisiert werde. Rainer Brechtken, Sprecher der DOSB-Spitzensportverbände, hob ebenfalls die Bedeutung der Vernetzung zwischen Schule und Verein hervor. Er forderte eine Qualifizierungsoffensive für das Ehrenamt im Sport. Nur so werde sichergestellt, dass auch bildungsferne Schichten erreicht werden. Er betonte, das Problem liege weniger in der ausländischen Herkunft, als in der Bildungsferne, von der überproportional Ausländer betroffen seien. Er warnte zugleich vor „Schnelleinbürgerungen“ im Interesse eines raschen sportlichen Erfolges: Nur wenn die sozialen Voraussetzungen zusätzlich zu den sportlichen vorlägen, befürworte er eine beschleunigte Einbürgerung ausländischer Spitzensportler. So handhabe er es auch in dem von ihm als Präsidenten geführten Deutschen Turnerbund. Schwimm-Europameister und Vizeweltmeister Markus Deibler hob die Bedeutung des Sports für die Völkerverständigung und die Erweiterung des Horizontes hervor. Im Leistungsschwimmen selbst gebe es zwar kaum Integrationsschwierigkeiten; das Problem bestehe aber schon früher: Vielen ausländischen Sportlern sei wegen religiöser oder kultureller Hemmnisse der Weg in den Schwimmsport von Anfang an verwehrt. Über 200 geladene Gäste waren unter der Moderation des ZDF-Journalisten Eike Schulz zum siebten Stuttgarter Sportgespräch am 24. Januar in das Haus des Sports gekommen. Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker zitierte zum Auftakt Fontane: „Wer immer dasselbe sieht, sieht nichts; erst die Fremde lehrt uns richtig sehen. Sie gibt uns auch das Maß der Dinge.“ So war denn auch das Fazit des Abends: Der Sport leistet einen wertvollen Beitrag zur Integration, darf sich aber den nach wie vor bestehenden Problemen nicht verschließen. Und die Gesellschaft muss nachziehen und die Potentiale des Sports nutzen.