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9. Stuttgarter Sportgespräch

2013

„Feigenblatt Fairplay? –
Von Siegern und Fairlierern“

„Fair Play heißt, ein Foul so versteckt zu begehen, dass es der Schiedsrichter nicht sieht“ – mit diesem Satz eröffnete Dr. Marius Breucker vor ca. 200 geladenen Gästen das 9. Stuttgarter Sportgespräch im SpOrt Stuttgart zum Thema „Feigenblatt Fair Play? – Von Siegern und Fairlierern“. Unter der Moderation von ZDF-Sportjournalist Eike Schulz diskutierten der Philosoph Prof. Dr. Gunter Gebauer, der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Norbert Müller, DFB Generalsekretär Helmut Sandrock und der fünfmalige Paralympics-Sieger Jochen Wollmert.​ In einem eindrücklichen Impulsreferat illustrierte Dr. Matthias Breucker das Dilemma der Spitzensportler: Einerseits sollen sie Fair Play üben, andererseits sind sie ihrem Arbeitgeber, den Sponsoren, aber auch Mannschaftskameraden gegenüber gehalten, den größtmöglichen sportlichen Erfolg zu erzielen. Prof. Dr. Gebauer beschrieb die Erwartungshaltung der Medien und der Gesellschaft, die in erster Linie Erfolge fordern und sich nicht mit dem Hinweis auf fairen Sport abspeisen lassen. Als Fan wünsche er sich bei Spielen der deutschen Fußballnationalmannschaft auch den Erfolg. „Ob der Erfolg mit fairen Mitteln zustande kommt, reflektiert man erst im Nachhinein.“ Gebauer gestand: „Während des Spiels bin ich Fan und hoffe, dass die Spieler die Klappe halten, nach dem Spiel bin ich wieder Philosoph.“ Die Liebe zum eigenen Sport zeige sich aber in der Einstellung auch zum Gegner. Mit gewisser Reife merke der Athlet, dass er durch Unfairness seinen eigenen Sport verrate. Helmut Sandrock bekräftigte den Weg der deutschen Nationalmannschaft, mit spielerischen und fairen Mitteln zum Erfolg zu kommen. „Wir werden diesen Weg unter Joachim Löw weiter verfolgen; natürlich ist es das Ziel, einen Titel zu gewinnen; dies kann und muss aber mit fairen Mitteln möglich sein!“ Prof. Dr. Norbert Müller illustrierte anschaulich, wie der Sport die Gesellschaft verändern kann: „Vor den Olympischen Spielen in Peking 2008 wurden behinderte Menschen in China gesellschaftlich ausgegrenzt; mit den Paralympics fand ein Bewusstseinswandel statt, der andauert: In London 2012 waren die Chinesen wieder mit einer starken Paralympics-Mannschaft vertreten.“ Jochen Wollmert schilderte „Fair Play“ als eine Grundhaltung, über die er sich „im Wettkampf keine große Gedanken“ mache. „Es ist doch selbstverständlich, dass ich nur mit fairen Mitteln gewinnen will.“ Wollmert hatte im Halbfinale der Paralympics 2012 zwei Schiedsrichterentscheidungen zu seinen Ungunsten korrigiert und eine weitere im paralympischen Finale gegen den englischen Lokalmatador. Ob er im Anschluss daran mit den Ehrungen des Fair-Play-Preises 2012 und des Coubertin Awards 2013 gerechnet habe? „Ich habe gar nicht gewusst, dass man so viele Preise gewinnen kann!“, sagte Wollmert. Zugleich halte er es für bedenklich, dass man für ein eigentlich selbstverständliches Verhalten derartige Preise gewinne: „Eigentlich ist es schade für den Sport, dass ein solches Verhalten schon als preiswürdig erachtet wird“. In seinem Impulsreferat hatte Dr. Matthias Breucker auf zwei Wurzeln des Fair Play Gedankens verwiesen: Einerseits das viktorianische Zeitalter, in dem Sport um des schönen Spieles willen betrieben wurde und der Erfolg nicht im Vordergrund stand. Zum anderen die Ökonomie: Nur wer auf das korrekte Verhalten seines Geschäftspartners vertrauen konnte, war bereit, mit ihm in Handelsbeziehungen zu treten. Dies war Voraussetzung für das Prosperieren der Wirtschaft. Breucker warf zugleich die Frage auf, ob Fair Play in der heutigen differenzierten Sportwelt noch einheitlich definiert werden könne und ob man zwischen Spitzen- und Breitensport, Individual- und Mannschaftssport oder auch einzelnen Sportarten unterscheiden muss. Helmut Sandrock schilderte anschaulich die neuen Wege des DFB in Sachen Fair Play: „Wir haben ein Pilotprojekt installiert, wonach in Jugendspielen ohne Schiedsrichter und ohne Einwirkung der Eltern gespielt wird. Das schöne Ergebnis: Die Kinder einigen sich und haben große Freude!“ Gebauer ergänzte: „Die Kinder wollen ja nicht lügen; wir müssen ihnen die Chance lassen, den offenbar natürlichen menschlichen Gerechtigkeitssinn im Sport zu praktizieren.“ Er verwies ergänzend auf Studien, wonach Kleinkinder ein angeborenes oder früh erlerntes Gerechtigkeits- und Fairnessverhalten zeigen. Dies lässt bemerkenswerte Rückschlüsse auf die Entwicklung unfairen Verhaltens (erst) durch äußere Einflüsse zu. Prof. Dr. Müller forderte perspektivisch eine Bestärkung fairen Verhaltens von Jugend auf: „Es gibt viel mehr Fairness, als wir wahrnehmen. Gerade Jugendliche müssen wir darin durch Wertschätzung und Auszeichnung bestärken. Leider geht dieses Verhalten aufgrund äußerer Einflüsse mit zunehmendem Alter teilweise verloren. Daher zeigt sich im Fair Play eine Tendenz, wonach man von Kleinen große Taten verlangt, während bei Großen kleine Taten genügen, um eine Auszeichnung zu erlangen.“ Von einem Studenten in einer Vorlesung angesprochen, ob er der letzte Idealist im Sport sei, habe er geantwortet: „Und wenn? – Ich glaube aber, es gibt noch ein paar mehr.“ Faires Verhalten auszuzeichnen und dadurch gerade die jungen Sportler zu bestärken, empfahl auch Helmut Sandrock. Er verwies auf zahlreiche Initiativen des DFB, zuletzt eine gemeinsame Tagung zu fairem Verhalten zwischen Trainern und Schiedsrichtern in den Bundesligen. Auf Frage Prof. Dr. Udo Steiners bestätigte Moderator Eike Schulz, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Verantwortung und einen Erziehungsauftrag habe: „Es ist aufgrund der Zuschauererwartung nicht immer einfach, diesem gerecht zu werden, doch besteht kein Zweifel an diesem Anspruch!“. Beim anschließenden Empfang wurde die anregende Diskussion unter anderem mit dem DSV-Vizepräsidenten und Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Franz Steinle, dem Vorstand der Nationalen Anti-Doping Agentur Frau Dr. Andrea Gotzmann und Dr. Lars Mortsiefer, dem Präsidenten des Deutschen Turnerbundes Rainer Brechtken und dem Geschäftsführer des Sportschiedsgerichts der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, Rechtsanwalt Jens Bredow, fortgesetzt. Wieder einmal setzte das Sportgespräch Impulse über den Sport hinaus. Auf ein konkretes Ergebnis des Sportgesprächs 2009 hatte Dr. Marius Breucker einleitend hingewiesen: Nachdem damals ein „Stuttgarter Weg“ für die gezielte Förderung des Olympischen und Paralympischen Spitzensports gefordert wurde, nahmen beim neunten Stuttgarter Sportgespräch erstmals Vertreter der daraufhin gegründeten Initiative ProSport Region Stuttgart teil. ​

  Impulsreferat  

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  Pressestimmen  

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